Gegen Ende des Krieges waren neben der Innenstadt besonders die Stadtteile nahe der strategisch wichtigen Rheinbrücken durch Bombenangriffe in Schutt und Asche gelegt worden. Dazu gehörte auch Mülheim und die 1929 eingeweihte Mülheimer Brücke, die von Bombern am 14. Oktober 1944 zerstört wurde. Die beherrschende Aufgabe der langen Nachkriegsjahre war der Wiederaufbau der Stadt und die Rückkehr zur Normalität auch im Vereinsleben.

Die Briten, denen bei den Verhandlungen der Siegermächte der Nordwesten Deutschlands als Besatzungsgebiet zugewiesen wurde, übernahmen im Juni 1945 nach 19 Jahren wieder die Militärregierung in Köln. Nun kehrten immer mehr Kölner nach Hause zurück. Denn während des Krieges waren sie zu Tausenden, darunter auch die meisten Mitglieder des Turnvereins Mülheim am Rhein, als „Ausgebombte“ durch die Stadtverwaltung aufs Land evakuiert worden. Da das Turnerheim den Krieg ohne nennenswerte

Schäden überstanden hatte, rief der Ehrenvorsitzende des Turnvereins Mülheim am Rhein, Dr. Oster, über sieben Monate nach der Kapitulation durch selbstgeschriebene Plakate und Zeitungsinserate zu einer Versammlung der verbliebenen und der zwischenzeitlich aus der Evakuierung zurückgekehrten oder aus der Wehrmacht entlassenen Mitglieder auf.

So fanden sich am 14. Oktober 1945 insgesamt 45 ehemalige Mitglieder im Turnerheim zusammen. Dazu erklärte Dr. Oster: „Viele befinden sich noch in Gefangenschaft, auf deren baldige Rückkehr wir hoffen. Leider werden wir einen Teil nicht mehr wiedersehen, die draußen ihr Leben lassen mussten ... Durch die Beschlagnahme unserer Geräte, die den Krieg überlebten, werden wir wohl etwas gehemmt, aber dafür können wir vorerst ja die anderen Übungsarten wie Leichtathletik, Handball, Fußball, Faustball und Ringtennis betreiben.“

In dieser Versammlung wurde schließlich ein vorläufiger Vorstand gewählt, dem keine ehemaligen Mitglieder der NSDAP angehören durften. Der neu gewählte 1. Sprecher, Heinz Scheulen, schloss die Sitzung mit dem Wunsch: „Ich erwarte von allen Turnbrüdern und Turnschwestern, daß wir genau so wie vor 1933 unsere turnerische Arbeit verrichten, frei von jeder Politik, mit unseren früheren Zielen, völkerverbindend wirken.“

Kurz nach der Versammlung erfuhr der neue Turnrat, dass die Kölner Stadionverwaltung die Platzanlage ohne Rücksprache mit den Mülheimer Turnern an einen anderen Sportverein verpachtet hatte und die neuen Geräte durch die amerikanischen Befreiungstruppe beschlagnahmt und ins Kölner Stadion gebracht worden waren. Auf der Suche nach den verschwundenen Geräten erhielt Heinz Scheulen im November 1945 von dem zuständigen englischen Offizier im Stadion eine unterschriebene Empfangsbescheinigung, aber nicht das beschlagnahmte Vereinseigentum. Auch die Platzanlage schien trotz eingelegtem Widerspruch verloren, denn im Dezember kündigte die Stadion-Verwaltung nun offiziell den Pachtvertrag für das Turnerheim und die Sportanlagen zum 31.März 1946. Ein langer Rechtsstreit begann, den der Turnverein Mülheim am Rhein schließlich gewann, so dass 1949 die Platzanlage den Namen des Mannes erhielt, der sie erbaut hatte. So trägt bis heute das Domizil des MTV Köln den Schriftzug „Barthel-Gödde-Turnerheim“.

Bei der ersten ordentlichen Hauptversammlung nach dem Kriege am 9.Februar 1946 wurde zunächst der Gefallenen im Felde und derjenigen gedacht, die in Mülheim den Bomben zum Opfer gefallen waren: „Unter den leisen Klängen des Liedes vom guten Kameraden verlas er (Dr. Oster) die Namen.“ Danach bat er die Mitglieder darum, „durch fleißigen Besuch der angesetzten Übungsstunden zu beweisen, daß wir existenzberechtigt sind und somit die vagen Anwürfe, wir seien zu klein oder hätten uns jahrelang um nichts gekümmert, gegenstandslos werden. Wir anderen aber wollen heute geloben, ... , alles zu tun, was zu dem Wiederaufbau, nicht nur unseres ehrwürdigen Turnvereins, sondern auch für unsere Heimat notwendig ist. Die Kraft hierzu holen wir uns bei unserer Arbeit auf dem Turnboden und auf dem Spielplatz und wir werden es, wie früher nach 1870/71 und nach 1914/18 auch dieses Mal wieder schaffen.“

Aber schon wenige Monate später war die Existenz des Mülheimer Turnvereins wirklich ernsthaft bedroht. Denn im September 1946 veranlasste die Militärregierung die sofortige Auflösung aller Turn- und Sportvereine mit dem Hinweis, dass Anträge auf Wiederzulassung gestellt werden könnten. Kurze Zeit nach Antragstellung erhielt der Turnverein Mülheim am Rhein dann wieder seine Zulassung.

Im April 1947 wurden dem Verein ein Teil seiner beschlagnahmten Geräte wiedergegeben. Dass die Not aller, den Zusammenhalt fördert, beweist der Protokoll-Eintrag vom 11. April: „Davon wollen wir an den Deutzer T.V., der gar keine Geräte mehr besitzt, leihweise ein Pferd abgeben gegen eine Verschleißgebühr von Mk. 30,- im Jahr.“ 
Trotz der großen wirtschaftlichen Probleme nahmen auch schon wieder Mitglieder an sportlichen Veranstaltungen in näherer und auch weiterer Umgebung teil, wie im August 1947 am 1. Rheinischen Turn- und Spielfest in Remscheid. Dazu erhielt sogar jeder Teilnehmer einen Fahrtkostenzuschuss von 10 Mark. Auch das erste Stiftungsfest nach dem Krieg wurde am 12. November 1947 unter großer finanzieller Anstrengung durchgeführt.

Mit der Währungsreform, die am 21. Juni 1948 in Kraft trat, wurde die Deutsche Reichsmark durch die Deutsche Mark abgelöst und die Ersparnisse des Mülheimer Turnvereins schmolzen dahin. Dies hielt den Verein allerdings nicht davon ab, im selben Jahr noch eine Tischtennisabteilung zu gründen und im August am Turnfest in Frankfurt a/M teilzunehmen. Das Vertrauen der Vereinsmitglieder auf bessere Zeiten dokumentiert sich z. B. im Jahresbericht von 1948: „Die Zukunft ist hart, aber wir wollen sie unserer Jugend durch unsere Arbeit im Jahn’schen Sinne lebenswert gestalten.“ Lebenswert war das Vereinsleben spätestens am 12.Februar 1949 wieder als der erste karnevalistische Maskenball nach dem Krieg veranstaltet wurde.

In die sportlichen Aktivitäten kehrte auch zunehmend Normalität ein, denn es wurden 1949 neue Wettbewerbe kreiert wie das Barthel-Gödde-Turnen am 10. Juli 1949 und alt bekannte wieder neu belebt, so das Vereinsturnen um den Dr. Oster-Preis.

Im September 1949 traten Mülheimer Tennisspieler an den Turnverein heran, „ob der Verein nicht im Turnerheim Tennisplätze anlegen könnte, ... (da) in Mülheim keine Möglichkeit besteht, Tennis zu spielen.“ Dies wurde allerdings erst 1961 umgesetzt. Im Januar 1950 erinnerten drei Vereinsmitglieder die Mülheimer Turner noch einmal an den fünf Jahre zurückliegenden Krieg, denn sie wurden aus russischer Gefangenschaft nach Hause entlassen und nahmen wieder am Vereinsleben teil.

Um sich für das 100jährige Jubiläum „herauszuputzen“, erhielt der Turnverein Anfang 1950 sogar Hilfestellung durch die Stadt Köln: „Die Stadt hat ihre Unterstützung zur Gestaltung des Festes in jeder Hinsicht dem Verein zugesagt. Frau Schäfer wird versuchen, die Umzäunung der Sportanlage des Turnerheims durch die Gartenbauverwaltung machen zu lassen.“ Der Erfindungsreichtum kannte keine Grenzen. So wurde bei einer Sitzung des Turnrates am 21. Januar 1950 vorgeschlagen, für das Stiftungsfest Bausteine zu vertreiben und dafür mit Postkarten zu werben, auf denen ein Bild der zu errichtenden Turnhalle auf dem Turnerheim zu sehen ist. Darüber hinaus, wurde die alte Idee des Turnhallen-Baufonds wieder aufgegriffen und ein Sparbuch angelegt, worauf die Spenden, die Gelder durch den Verkauf der Bausteine und Aufstellung einer Sparbüchse im Turnerheim eingezahlt wurden. Obwohl die Vorbereitungen des Stiftungsfestes auf Hochtouren liefen, fanden die Mülheimer Turner noch die Zeit, eine Handball-Spielgemeinschaft (HGS Mülheim) mit der Turngemeinschaft Mülheim zu bilden und eine neue Damen-Handballmannschaft zu gründen.

Nach einer Pause von 9 Jahren erscheint am 1.Mai 1950 im Vorfeld der Jubiläumsfeierlichkeiten die erste Ausgabe des neuen MTV-Nachrichtenblattes. Anlässlich des 100jährigen Jubiläums richtete der Turnverein Mülheim am Rhein vom 26. bis 27. August 1950 das 3. Kölner Kreisturnfest aus. Nach einer Totenehrung in den Trümmern der Clemenskirche fand an den verschiedenen Tagen neben einem Kinderturnfest im Stadtgarten und einem Gerätemehrkampf mit etwa 800 Turnern auch ein vielbeachteter Staffellauf „Quer durch Mülheim“ vom Wiener Platz bis zum Mülheimer Bahnhof statt. Abgeschlossen wurde das Kreisturnfest mit einem großen Festzug durch Mülheim, an dem über 40 Turn- und Sportvereine mit Fahnen und Wimpeln ebenso teilnahmen wie Karnevalsvereine oder das Musikkorps der Polizei. Das Sportfest hinterließ auch in der Kölner Presse einen bleibenden Eindruck: „Das 3. Kreisturnfest ... hat bewiesen, daß der alte deutsche Turnergeist nicht untergegangen ist, sondern sich weiterentwickelt zu sportlichem Können ...“

Nach so viel Lob konnte der Verein im Herbst in Ruhe sein 100-jähriges Jubiläum feiern. Beim Festakt am 8. Oktober 1950 in den Union-Lichtspielen an der Frankfurter Straße hielt das Ehrenmitglied des Vereins und heute noch eine bekannte Persönlichkeit der Sportgeschichte, Professor Dr. Carl Diem, die Festrede. Der gesellige Festabend fand am 14. Oktober 1950    im Ernst-Moritz-Arndt-Haus in der Düsseldorferstraße statt.

Die finanziellen Belastungen aus dem Jubiläumsjahr waren offensichtlich wohl so groß, dass im März 1951 die Vereinszeitung wegen mangelnder Anzeigen auf einen Zuschuss von ca. 70 Mark aus der Vereinskasse angewiesen war. Da dies nicht machbar war, kam die Zeitung vorübergehend in Form eines Rundschreibens heraus.

Die Regierung legte dem Verein 1951 eine Änderung der Satzungen in Anlehnung an das Bürgerliche Gesetzbuch nahe, weil die Bezeichnung „Grundgesetz“ nicht mehr zugelassen war. Denn da es nur ein Grundgesetz der Bonner Bundesregierung gab, seien die Satzungen nicht mehr zeitgemäß. Die Satzungsänderung wurde auf der Hauptversammlung am 19. Mai 1951 genehmigt.

Zur Einweihung der Mülheimer Brücke am 8. September 1951, die Oberstadtdirektor Wilhelm Suth in Anwesenheit von Bundeskanzler Konrad Adenauer eröffnete, wurde am nächsten Tag nochmals ein Straßenstaffellauf wie im Jahr 1950 zum 3. Kölner Kreisturnfest über die Frankfurterstraße veranstaltet. Für den ersten Sieger vergab der Turnverein Mülheim am Rhein Bilder der neuen Brücke mit Widmung. Das für Mülheim wichtige Ereignis ist auch für die Tischtennis-Abteilung der Anlass in der Turnhalle Genovevastraße ein großes Turnier durchzuführen, für das von Brückenbaufirmen zwei silberne Pokale gestiftet wurden. Zum Abschluss eines ereignisreichen Jahres wurde die Ringtennisabteilung neu gegründet. Der Reigen neuer Abteilungen erhielt 1952 mit einer Gruppe für Hausfrauengymnastik eine Fortsetzung.

Da die Turngemeinschaft Mülheim die erst zwei Jahre zuvor gegründete Handball-Spielgemeinschaft zu sehr dominierte, wurde die HSG am 13.Mai 1952 aufgelöst und im August eine eigene Handball-Abteilung aufgemacht. Zwei Jahre später stand die Gründung der Volleyballabteilung auf dem Programm des Turnvereins Mülheim am Rhein. Dem ehemaligen Vereinssprecher zu Beginn des Jahrhunderts wurde mit dem am 15.Dezember 1956 neu eröffneten „Dr. Oster-Jugendheim“ ein Denkmal gesetzt. Mit den Planungen zu Tennisplätzen und einer Turnhalle wurde begonnen. Ebenfalls im Dezember erscheint die erste Ausgabe der neuen Vereinszeitung unter der Bezeichnung „Mülheimer Turnerspiegel“.

Auf der Jahreshauptversammlung vom 1. März 1958 wurde der Bau eines Kinderturn- und Spielplatzes im Turnerheim gefordert. „Da in Zukunft der Samstagnachmittag für die Mehrzahl unserer Mitglieder arbeitsfrei sein wird, rechnen wir mit einem verstärkten Besuch unserer Sportanlagen durch die ganze Familie, besonders zum Wochenende. ... Wir können den Ruf der Öffentlichkeit: „Schafft der Jugend eine frohe Kinderzeit!“ nicht überhören.... Die Kinder müssen im Spiel unter anderem schaukeln, klettern, rutschen, turnen und spielen können. Auch soll für eine fachliche Betreuung der Kleinen gesorgt werden. Wir hoffen, durch diese Lösung auch einen Beitrag zu einem akuten sozialen Problem geleistet zu haben.“ Diese Forderung wurde nicht ganz umgesetzt, vielmehr entstand im September 1958 auf dem Gelände des Turnerheims eine Minigolf-Anlage. Im darauffolgenden Monat richtete der Verein für seinen Nachwuchs „zur geistigen Erbauung“ im Dr. Oster-Jugendheim eine Jugend-Bibliothek ein. Einen würdigen Abschluss fand die abwechslungsreiche Nachkriegsepoche für den Mülheimer Turnverein schließlich am 14. November 1959 mit der Neugründung der Vorturnerschaft, die allerdings nie wieder den Stellenwert vergangener Tage errang.

Das geschah sonst noch in Köln

1945    Köln ist zu 95 Prozent zerstört
1948    Währungsreform
1950    Lebensmittelkarten zum letzten Mal ausgegeben und erster Selbstbedienungsladen öffnet in Ehrenfeld
1952    ARD sendet erste Fernsehbilder und Jazztrompeter Louis Armstrong gastiert in Köln
1955    Erste Lufthansa-Maschine landet in Wahn
1957    Bundeskanzler Adenauer eröffnet Bundesgartenschau im Rheinpark
1958    Sporthalle eingeweiht